Nationalmannschaft: WM-Quali-Tagebuch 7
2. Februar 2020 (Lettland - Liepaja)
Zum Abschluss gings nochmals rund. Auf dem Feld leider nur zu Beginn, neben dem Feld aber bis in die Verlängerung.
„Fürstensöhne fordern Froschfresser“, hätten wohl Alliterationen-Liebhaber gedichtet, wenn sie an unsere letzte Partie der WM-Quali in Liepaja gedacht hätten. Dachten wir natürlich auch, ebenso, dass die Nationalmannschaftsgründerväter anno 2005 das erste Länderspiel 3:5 verloren hatten. Zu gern hätten wir Revanche genommen, doch dann hätte das Spiel nach zehn Minuten fertig sein müssen. Aber immerhin mal in Führung. Auch Zwerge fangen klein an. Das Ganze erinnerte sehr an „Zehn kleine Fürstenmeister“: Schon bei Spielstart umfasste der Staff rekordverdächtige acht Personen, am Ende des Spiels waren nur noch zehn (mehr oder weniger) funktionsfähige Spieler im Einsatz. Einer sprang aber noch herum wie ein junges Rehlein: Dominik Hartmann, die äthiopische Gazelle. „Ich habe mich die ganze Woche nie besser gefühlt“, sagte er Coach Kipfer im letzten Drittel, als neben Hartmann reihenweise Spieler nur noch den Schlusspfiff herbeisehnten. Unfassbar.
Zehn Minuten vor Schluss ging auch bei Tormaschine Remo Tischhauser nichts mehr. Die „Grabser Granate“ – um bei den Alliterationen zu bleiben – hatte aber seine Vaterlandspflicht erfüllt. Unfassbare zehn Tore in neun Nationalspielen stehen mittlerweile auf Tischhausers Konto. Damit ist er nun alleiniger liechtensteinischer Rekordtorschütze. Gratulation dazu. So war die Frage nach dem wertvollsten Teamspieler – eine Wertung, die von der IFF-Jury jeweils beim letzten WM-Qualispiel vergeben wird – rasch geklärt. Noch einmal erhielt unsere Nummer 33 ein Kartonschächteli voll Bastelware für Unihockey-Techniktraining. Vermutlich der unsinnigste Best-Player-Preis ever.
„Lange blieb die Garderobentüre nach Spielschluss zu“, heisst es manchmal etwas kryptisch in Spielberichten nach Niederlagen einer Mannschaft. Bei uns war die Türe tatsächlich auch lange zu, aber nicht weil eine Krisensitzung einberufen wurde, sondern Coach Kipfer die legendären letzten Worte der Kampagne an Spieler und Staff richtete. Der Inhalt von „Kipfers Kabinen Kabarett“ bleibt aber in der Kabine und wir sagen auch nicht wieso plötzlich die ganze Mannschaft „Zürifäscht, Zürifäscht, eis a d Schnurre am Zürifäscht“ johlte. Nein, wirklich nicht.
Der Abschluss des vorletzten Tages bildete das gelungene Teamessen im Kellerlokal „Hot Potatoe“, wo das geschundene Herz der Liebhaber der deftigen Kost wieder aufgerichtet wurde. Potatoes hat keiner bestellt, dafür umso mehr Burger und ähnliches. Dazwischen sorgten die Gesänge und/oder Witzeerzählungen der Natidebütanten für Erheiterung. An dieser Stelle auch gleich ein grosses Sorry an die weiteren Restaurantbesitzer. Für „Jubel“ sorgte dann auch „Mr Liechtenstein Unihockey“ himself: Kaiser Franz Maurer kündete an, dass er auch bei der nächsten WM-Quali-Kampagne dabei sein werde. Der Coach sagte es zuvor absolut richtig: Bei anderen Teams werden kurz vor oder während der WM noch Sachen geplant oder diskutiert, die unser Franz schon seit Monaten erledigt hat. Ein riesiges Dankeschön an dieser Stelle.
Das letzte Ziel – am Sonntag um 11 Uhr mit gepackter Reisetasche im Hotelfoyer zu erscheinen – erreichte dann tatsächlich das ganze Team. Wer hätte es gedacht? Gut, bei einigen wars sehr knapp, ebenso wie die Schlafenszeit nach der anstrengenden Verlängerung in Liepjajas lebhaftem Nachtleben. Aber immerhin ging keiner verloren. Gut, einige schafften es auch gar nicht mehr an die Playersparty nach dem Nachtessen, aber das ist jetzt ein anderes Thema. Mit den spanischen Freunden ging es am Sonntag dann via Bus zurück nach Riga, wo dann auch nur lockere drei Stunden Wartezeit überbrückt werden müssten. Gegen 18.30 Uhr landete der Flieger in Zürich, um 20.30 Uhr erreichte Team Liechtenstein den Bahnhof Sargans, wo dann offiziell Ende Gelände war.
Was bleibt von „Liepaja 2020“? Die lettische Küstenstadt dürfte im Sommer sicher einladender wirken, dass nassnebligfeuchte Wetter hatte immerhin den Vorteil, dass Halle oder Hotel kein Müssen sondern ein Dürfen waren. Mit der lettischen Sprache stehen wir weiter auf Kriegsfuss, genauso wie der Hallenspeaker mit der englischen. Die Organisation des lettischen Verbandes war ansonsten einmal mehr 1a, da kommen sich auch kleine Nationen wie wir, wie an einer „richtigen“ WM vor. Zeitweilig übertreiben es die vielen Helfer fast mit ihrem Einsatz – über gewisse Regelungen (Stichwort: „No, you can‘t go this way“) konnte man sich nerven oder es halt einfach hinnehmen. Wir haben da schon ganz andere Turnierorganisationen erlebt.
Nur einmal waren die lettischen Perfektionisten auch etwas überfordert. Beim letzten Turnierspiel zwischen den Gastgebern und den tschechischen Ballkünstler sorgte eine junge Turnergruppe in der Pause mit ihren ausgefallenen Uebungen am Reck für staunende Gesichter. Eben solche gab es auch, als die Helfer das Reck wieder hinaustrugen und ein grosser Fleck mit Magnesiumpulver auf dem Spielfeld blieb. Wers nicht kennt: Magnesium verwandelt einen Hallenboden in ein Eisfeld. Sofort baten die Schiedsrichter vor dem Anpfiff auch einige „Putzboys“ mit Besen aufs Feld. Sagen wir es so: Die Putzaktion war beste Comedy – zeitweilig wurde das Magnesium quer über die eine Spielhälfte verteilt. Immerhin war für beste Unterhaltung gesorgt. Und nach zehn Minuten eifrigen Putzens konnte dann auch das letzte Drittel beginnen.
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